Das orthodoxe Christentum

Das Buch

Die Meldung vom 15.03.2022 befremdet, ja erschüttert: die ukrainisch-orthodoxe Kirche betrachtet den bewaffneten Kampf gegen das russische Militär nicht als Sünde. Mit anderen Worten, der Krieg ist ein religiös sanktioniertes Mittel; eine Auffassung, die gerade in uns Widerstreben hervorruft.

Für orthodoxe Christen ist dies anders, denn viele orthodoxe Kirchen  begreifen sich als Nationalkirchen. So wie die ukrainisch-orthodoxe und die russisch-orthodoxe Kirche. Gerade zwischen diesen beiden ist die Spannung gegenwärtig groß. Ostkirchenspezialist Martin Tamcke erklärt dies als Teil des orthodoxen Erbes: „Stets suchten Kirche und Staat, Patriarch und Kaiser die Übereinstimmung miteinander.“ (S. 20) „Symphoneia“ wird dieses Prinzip genannt. Unterstützung auf der einen Seite, Unterordnung auf der anderen. Die Versuchung ist groß, die Orthodoxie auf wenige, für uns befremdliche Merkmale wie die Symphoneia zu beschränken. Gerecht würden wir ihr damit nicht. Wer die orthodoxen Kirchen wirklich kennenlernen will, wird einen spirituellen Schatz heben. Dazu hilft dieses Buch. Es beschreibt die Vielfalt der orthodoxen- bzw. orthodox-orientalischen Kirchentraditionen, ihre Glaubenspraxis und ihre Lehre. So ist beispielsweise der überbordende Prunk orthodoxer Kirchen nicht in erster Linie Ausdruck von Macht und Status, sondern als sichtbarer Lobpreis Christi, als bildgewordene Liturgie.

Tamckes Buch ist nicht ganz einfach zu lesen. Es ist gelehrt, gefällig ist es nicht. Doch Leserinnen und Leser mit Interesse und Durchhaltevermögen werden mit einer echten Horizonterweiterung belohnt. „Das orthodoxe Christentum“ ist in jedem Fall ein unbedingt empfehlenswertes Buch. Für theologische Fachleute ist es ein Muss.

Uwe Metz

Der Autor

Martin Tamcke ist Professor für Ökumenische Theologie an der Universität Göttingen, Direktor des Instituts für Ökumenische Theologie und Orientalische Kirchengeschichte sowie Vorsitzender der Gesellschaft zum Studium des christlichen Ostens.